W124-Cabriolet. (1991 - 1997)
Im September 1991 wurde auf der IAA in Frankfurt mit dem 300 CE-24 Cabriolet eine fünfte Karosserievariante der Mittleren Klasse präsentiert. Nach einer Unterbrechung von zwanzig Jahren war erstmals wieder ein viersitziges Cabriolet im Verkaufsprogramm.
Die Entwicklung der offenen Variante, bei der das Coupé als Grundlage gedient hatte, war mit hohem konstruktiven Aufwand erfolgt. Trotz der guten Ausgangsbasis mußten zur Versteifung der Karosserie rund 1.000 Teile neu konstruiert werden. Für nahezu alle tragenden Teile wurde dickeres beziehungsweise hochfestes Stahlblech verwendet; sämtliche hochbelasteten Stellen wurden mit zusätzlichen Verstärkungen in Form von Dopplern, Knotenblechen oder Streben versehen. als besonders wirkungsvoll erwiesen sich die bereits vom SL bekannten Diagonalstreben, die die vier Ecken des Karosseriebodens mit dem Motorquerträger und der Reserveradmulde verspannen. Mehr als 130 kg zusätzliches Blech waren erforderlich, um die fehlenden 28 kg des Coupé-Dachs zu kompensieren; als Ergebnis konnte eine Karosserie präsentiert werden, die in ihrer Verwindungssteifigkeit der Limousine kaum nachstand.
Ein weiterer Entwicklungsschwerpunkt hatte darin bestanden, komfortmindernde Karosserieschwingungen, eine systembedingte Schwäche offener Fahrzeuge, auf limousinenähnliches Niveau zu reduzieren. Erreicht wurde dieses Ziel durch vier Schwingungstilger, die im linken Dämpferbein, im Dachrahmen und in den seitlichen Kofferraummulden angebracht waren und das Fahrzeuggewicht nochmals um 26 kg erhöhten.
Durch die genannten Karosserieverstärkungen wurde der von den Limousinen, T-Limousinen und Coupés bekannte Sicherheitsstandard auch von der offenen Version erfüllt, zumindest, was das Verhalten bei Frontal-, Heck- oder Seitenaufprall betraf. Für den Fall eines Überschlags mußten besondere Vorkehrungsmaßnahmen getroffen werden. Um das Fehlen des seitlichen Dachrahmens weitgehend zu kompensieren, waren die A-Säulen im knickgefährdeten Bereich mit innenliegenden Profilblechen zu einer stabilen Einheit verschweißt. Dadurch konnte im kritischen Dacheindrucktest ein limousinenähnliches Stabilitätsniveau erzielt werden; Extremversuche, bei denen das gesamte Fahrzeug an einer A-Säule aufgehängt war, belegten besonders eindrucksvoll die Festigkeit der Konstruktion. Ein vollwertiges Sicherheitssystem wurde aber erst durch Kombination mit einem automatischen Überrollbügel geschaffen. Die bereits vom zweisitzigen SL bekannte Konstruktion war für das 300 CE-24 Cabriolet nicht verwendbar: Beim automatischen Aufstellen des Drehbügels hätte es für die Fondpassagiere zu unerwünschtem Kopfkontakt kommen können. Daraufhin wurde ein hinter den Fondsitzen angeordneter Linearbügel entwickelt, der bei einem drohenden Überschlag innerhalb von 0,3 Sek. nahezu senkrecht nach oben fuhr und gleichzeitig als Kopfstütze für die Fondpassagiere diente. Zu diesem Zweck konnte der Überrollschutz auch manuell ausgefahren und wieder abgelegt werden.
Das voll versenkbare Verdeck überzeugte durch eine Fülle durchdachter technischer Details. In versenktem Zustand nahm die 43 kg schwere hochpräzise High-Tech-Konstruktion mit ihren 27 Gestängeteilen und 34 Gelenken nur ein Volumen von 80 l ein, so daß der Kofferraum immer noch großzügig bemessen war. Eine Auffangrinne im Bereich der vorderen Dachpfosten übernahm bei feuchter Witterung die Wasserableitung. Die große heizbare Heckscheibe aus Sicherheitsglas war durch einen Doppelrahmen bündig mit der Außenhaut verschraubt und bot verzerrungsfreie Sicht nach hinten. Zur Erhöhung des Bedienkomforts gab es als Sonderausstattung eine elektrohydraulische Verdeckbetätigung, die bei 180 bar Bedriebsdruck mit sechs kompakten Hydraulikzylindern arbeitete; die Hydraulikeinheit war dabei in der rechten Kofferraummulde untergebracht. Zehn Ventile und zwölf elektrische Endschalter kontrollierten den fehlerfreien Ablauf der drei Schwenkbewegungen sowie das korrekte Einrasten der verschiedenen Verschlüsse und überwachten den 'Verriegelt-Zustand' während der Fahrt.
Die Serienfertigung des 300 CE-24 Cabriolet lief erst im März 1992, sechs Monate nach seiner Präsentation, im Werk Sindelfingen an. Schon ein halbes Jahr später erhielt das Cabriolet wie alle Modelle der Mittleren Klasse eine deutlich aufgewertete Serienausstattung. Zum Lieferumfang gehörten nun der Fahrer-Airbag sowie elektrisch verstellbare Außenspiegel links und rechts. Mit Zentralverriegelung und 5-Gang-Getriebe, die zum gleichen Zeitpunkt in die Grundausstattung der 124er übernommen wurden, war das Cabriolet bereits seit Produktionsbeginn serienmäßig ausgerüstet.
Im Juni 1993 wurde das 300 CE-24 Cabriolet gemeinsam mit den übrigen Modellen der Baureihe 124 stilistisch überarbeitet und den anderen Typenreihen angepaßt. Auffälligstes Kennzeichen der modifizierten Varianten stellte die nach dem Vorbild der S-Klasse umgestaltete Kühlermaske dar. Bei diesem sogenannten 'Plakettenkühler' war der im Vergleich zur bisherigen Ausführung wesentlich schmalere Chromrahmen harmonisch in die Motorhaube integriert; der Mercedes-Stern saß wie bei den S-Klasse Limousinen auf der Haube. Nicht zu übersehen waren die Änderungen an den Leuchteinheiten: Die vorderen Blinkleuchten hatten farblose Deckgläser erhalten, und die Heckleuchten wiesen bichromatische Abdeckungen auf, die im Bereich des Blink- und Rückfahrlichts einheitlich weißgrau gefärbt waren. Das gelbe Blinklicht wurde dabei vorn wie hinten über farbige Glühbirnen erzeugt. Weitere
Änderungen betrafen die Stoßfänger, deren Schutzleisten nun in der Farbe der Anbauteile lackiert waren. Die Schutzleiste des Heckstoßfängers hatte man außerdem bis zu den Radausschnitten verlängert.
Im Rahmen dieser Modellpflege wurde das Cabriolet nicht nur optisch aktualisiert, sondern auch mit neuen Motoren ausgestattet, die bei den anderen Karosserievarianten der Mittleren Klasse bereits im Oktober 1992 eingeführt worden waren. Der 3,2-Liter-Sechszylinder mit Vierventiltechnik trat nun auch im Cabriolet die Nachfolge des bewährten 3,0-l-Vierventilers an. Seine Nennleistung war im Vergleich zum Vorgänger zwar gleich geblieben, wurde aber 900/min früher erreicht; das Drehmoment- maximum lag deutlich höher und war ebenfalls zu niedrigeren Drehzahlen verschoben. Abgas- und Geräuschemissionen konnten dadurch wirkungsvoll reduziert werden.
Als grundlegende Neuerung wurde nun auch eine Vierzylinder-Variante des Cabriolets angeboten, die mehr als 20.000,- DM billiger war als ihr Sechszylinder-Pendant. Das neue Einsteigermodell verfügte über den 150 PS starken 2,2-Liter-Vierventilmotor, der seit seinem Erscheinen im Oktober 1992 in der Limousine, dem T-Modell und dem Coupé der Baureihe W124 verwendet wurde.
Ausschließlich für den Export nach Italien, Griechenland und Portugal wurde das Cabriolet auch mit der 2,0-Liter-Version des Vierzylinder-Vierventilers ausgerüstet, der eine Leistung von 136 PS mobilisierte und bereits seit Oktober 1992 in der Exportversion des Coupés zum Einsatz kam.
Alle drei Varianten waren nun serienmäßig mit dem zuvor nur gegen Aufpreis erhältlichen elektrohydraulischen Verdeck ausgestattet, das zudem einen geänderten Innenbezug mit verbesserter Wärme- und Schallisolation erhalten hatte.
Mit dem Verkaufsbeginn der überarbeiteten Modelle trat im Juni 1993 auch für die Baureihe W124 eine neue Nomenklatur in Kraft. Analog zur S-Klasse und zur neuen C-Klasse hieß die Mittlere Klasse nun E-Klasse, und die Typenbezeichnungen folgten einem modifizierten System. Dabei war ein Buchstabenkürzel, das die Klassenzugehörigkeit dokumentierte, der dreistelligen Zahl, die nach wie vor auf dem Hubraum basierte, vorangestellt. Das 'E' für 'Einspritzmotor' konnte entfallen, da Vergasermotoren nun der Vergangenheit angehörten, und auf eine Verschlüsselung der ohnehin ersichtlichen Karosserievariante durch 'C' oder 'T' wurde ebenfalls verzichtet. Nach dem neuen Nomenklatur-System hießen die Cabriolets nun E 220 Cabriolet und E 320 Cabriolet; auf dem Typenschild waren allerdings nur Klassenzugehörigkeit und Hubraum dokumentiert.
Für den sportlich ambitionierten Cabriolet-Liebhaber stand ab September 1993 mit dem E 36 AMG eine leistungsstärkere Variante zur Verfügung, die mit einem 195 kW starken 3,6-Liter-Vierventilmotor von AMG ausgerüstet war. Das neue Topmodell der 124er Cabriolets hob sich durch dezent vergrößerte Anbauteile auch stilistisch von seinen weniger dynamischen Schwestermodellen ab. Frontspoiler, Seitenschweller und Heckschürze waren in Wagenfarbe lackiert und harmonisch in die Karosserieform integriert; abgerundet wurde das Bild durch die serienmäßigen 17 Zoll-Leichtmetallräder im AMG-Design.
Um auch der weniger leistungsorientierten Kundschaft ein preiswerteres Einsteigermodell anbieten zu können, wurde im März 1994 das seit Juli 1993 für den Export produzierte E 200 Cabriolet ins Inlands-Verkaufsprogramm aufgenommen. Der Preis lag nochmals gut 10.000,- DM unter der 2,2-Liter-Variante, dafür mussten aber im Ausstattungsumfang einige Abstriche in Kauf genommen werden: Leichtmetallräder, Lederpolsterung und Sitzheizung gehörten nicht wie bei den Schwestermodellen zum Serienumfang, sondern waren nur gegen Aufpreis erhältlich.
Die E-Klasse Cabriolets blieben als letzte Karosserievariante der Baureihe 124 noch bis Juli 1997 in Produktion. Insgesamt wurden 33.952 Exemplare gefertigt, davon 15.380 mit Vierzylinder- und 18.572 mit Sechszylindermotor. Der Exportanteil des E 320 Cabriolets war mit mehr als 75 % überdurchschnittlich hoch, ein Umstand, der insbesondere bei den exklusiveren Modellen des Mercedes-Benz Pkw-Programms lange Tradition hat.